Depressionen? Werden Sie aktiv.

Suchen Sie sich neue Ziele und Lebensinhalte. Kaum etwas hindert Sie mehr am Grübeln als anstrengende Tätigkeiten und interessante Projekte.

Gute IdeePlanen, konzipieren, strategisch denken, Neues schaffen

Denker

Sein Frontalhirn ist gerade so stark beansprucht, dass das emotionale Zentrum gar nicht mehr zu Wort kommt. Gut so! Q

Arbeit ist ein hervorragender Therapeut. Vor allem durch geistig anspruchsvolle, komplexe Tätigkeiten kommen Sie sehr schnell auf andere Gedanken. Schreiben Sie einen Text, lösen Sie Sudoku oder Kreuzworträtsel, planen Sie ein Projekt, das Sie schon länger interessiert, zeichnen Sie Figuren, spielen Sie Schach... Kurzum: Alles, was Sie intellektuell wirklich in Anspruch nimmt, verdrängt unangenehme Gedanken und hindert Sie am Grübeln. Eher "passive" Tätigkeiten wie lesen sind dagegen weniger gut geeignet - denn nur, wenn Sie selbst planen, organisieren, vorausdenken und Schritt für Schritt Neues schaffen, geht es Ihnen auch langfristig besser. Und selbst errungene Erfolge sind natürlich auch gut für's Ego ;-)

Gute Idee Anstrengende Geistestätigkeiten sind hervorragende "Antidepressiva".

Immer, wenn Sie geistig sehr aktiv sind, sind Sie emotional eher inaktiv. Ihr Hirn versammelt seine Truppen im Frontalhirn, dem 'intellektuellen Zentrum' (mal sehr vereinfacht gesprochen), und zieht sie aus dem 'emotionalen Zentrum' (dem limbischen System) ab.

Bei den meisten Menschen, die unter Depressionen leiden, ist eine Überaktivität im emotionalen und eine Unteraktivität im kognitiven Zentrum festzustellen. (Wenn Sie genau wissen wollen, was im depressiven Gehirn meist alles verändert ist, können Sie auch einmal auf meinen Gehirnatlas schauen.)

'Emotionales' Denken und Grübeln sind rückwärts gewandt, strategisches Denken und Planen dagegen vorwärts. Nur durch Vorwärtsdenken können Sie Ihr Gehirn positiv verändern und die Überaktivität Ihres emotionalen Zentrums verringern.

Versuchen Sie einmal, zehn Minuten schweres Kettenrechnen zu machen und dabei traurig zu sein. Sie werden sehen, das geht gar nicht. Natürlich wollen Sie jetzt nicht den ganzen Tag Kettenrechnen. Deshalb empfehlen wir Ihnen, sich bestimmte Projekte zu suchen, die Ihnen wirklich Spaß machen.

Denken Sie nach: Welches Fach hat Ihnen in der Schule (außer Sport) am meisten Spaß gemacht? Und dann suchen Sie sich eine schöne Aufgabe, die zu diesem Fach passt. Sie haben sich schon immer für Napoleon begeistern können? Lesen Sie alles, was Sie über Napoleon finden können, und schreiben Sie Ihre eigene Theorie über seinen Charakter und seine Handlungsmotive auf. Vielleicht wird das später gedruckt, und Sie werden berühmt. Oder auch nicht, ist egal, Hauptsache, Sie haben während der Arbeit nicht so viel rumgegrübelt wie sonst. Neues zu entdecken, Wissen anzuhäufen und anzuwenden, ist unheimlich gut für's Ego. Und was gut für's Ego ist, ist gut für die Psyche, klar.

PS: Oder probieren Sie doch beispielsweise mal Spiele im Internet (keine Glücksspiele natürlich ;-)

Gute Idee Bauen Sie sich neue, tragfähige Strukturen auf.

Arbeiten Sie Schritt für Schritt daran, Ihr Leben sinnvoll und langfristig zu strukturieren. Gehen Sie Montags zum Yoga, Dienstags zum Bowling, Mittwochs ins Kino, Donnerstags zum Karaoke, Freitags zum Französischkurs, und am Wochenende schauen Sie sich eine schöne Stadt an. Oder so. Und zwischendurch schreiben Sie Tagebuch.

Wenn Sie momentan nicht die Kraft haben, aus dem Haus zu gehen, lassen Sie sich viele schöne Bücher und Ihre Lieblingsfilme auf DVD mitbringen. Damit machen Sie es sich dann gemütlich - allein oder mit anderen.

Lesen im Pool

Lesen, baden und sonnen... gleich drei antidepressive Maßnahmen. Q

Wichtig ist vor allem, dass Sie sich nicht "einigeln" und Ihr Interesse an anderen und anderem verlieren - denn je weniger Sie tun, desto mehr grübeln Sie, desto kraftloser werden Sie, und desto tiefer wird Ihre Depression.


Gute Idee Stehen Sie zeitig auf, und fangen Sie gleich an, etwas Anspruchsvolles zu tun. Schlafen Sie nicht zu viel und nicht zu lange.

Wenn Sie im Bett liegen bleiben, grübeln Sie, und es geht Ihnen zunehmend schlechter (bitte lesen Sie dazu auch unser Kapitel "Schlaf"). Und dann können Sie den Tag meistens vergessen. Stehen Sie deshalb nach dem Aufwachen sofort auf, und tun Sie etwas, das Sie ablenkt (wie arbeiten, putzen, rausgehen und Einkäufe erledigen...) Wenn Sie sich dazu momentan nicht in der Lage fühlen, ist das auch nicht schlimm. Selbst wenn Sie den Fernseher einschalten und sich eine Seifenoper ansehen, ist das immer noch besser, als an die Decke zu starren und zu grübeln.

Achten Sie darauf, nicht zu viel zu schlafen. Das bringt keine Erholung, sondern verlängert Ihre REM-Phase, also die Schlafphase, in der Sie viel träumen. Die meisten Alpträume hat man in den Morgenstunden, vor allem dann, wenn man sich noch einmal rumdreht und dann unruhig weiterschläft.

Schlafentzug ist sogar eine anerkannte Methode, Depressionen zu bekämpfen. Sprechen Sie aber bitte vorher unbedingt mit Ihrem behandelnden Arzt oder Therapeuten darüber, bevor Sie es selbst versuchen.

Gute Idee Verlegen Sie wichtige Arbeiten und Verabredungen auf den späten Nachmittag oder die frühen Abendstunden.

Menschen mit Depressionen geht es morgens meist am schlechtesten, und die Stimmung bessert sich dann im Laufe des Tages. Verlegen Sie wichtige Verabredungen und Aufgaben deshalb eher auf den Nachmittag oder die frühen Abendstunden!


Gute Idee Überfordern Sie sich nicht, und gönnen Sie sich immer mal wieder eine gemütliche Auszeit.

Auch wenn es gut und sinnvoll ist, den Tag straff durchzuorganisieren, um nicht ins Grübeln zu verfallen, sollten Sie nicht zu streng mit sich sein. Schließlich ist Überforderung ebenso wie Unterforderung Stress für Körper und Psyche. Lassen Sie sich also immer genügend Zeit für "Wohlfühlmomente", Entspannung und Luxus.

Hängematte

Einfach mal rumhängen.

Gute Idee Legen Sie sich jeden Abend vor dem Einschlafen ein schönes Ziel für den nächsten Tag fest.

So gehen Sie positiv gestimmt in den Schlaf und stehen morgens mit der Gewissheit auf, etwas Sinnvolles zu tun zu haben. Das hilft Ihnen aus dem Bett.


Gute Idee Tun Sie sich und anderen etwas Gutes.

Freiwillige karitative Arbeit ist eine wunderbare Methode, mit Menschen in Kontakt zu kommen und seine Zeit sinnvoll und strukturiert zu verbringen. Versuchen Sie es doch mal.

Hier finden Sie eine Liste aller Freiwilligenagenturen Deutschlands, die Ihnen dabei helfen, sich im Bereich Ihrer Wahl zu engagieren.

Gute Idee Wenn Sie nach einem depressiven "Schub" merken, dass es Ihnen besser geht, unternehmen Sie möglichst viel, um sich weiter zu stärken.

Essen Sie gut und gesund, treiben Sie Sport, lernen Sie neue Leute kennen, treffen Sie sich mit Ihren Freunden, und beginnen Sie neue, interessante Projekte... kurzum: Stärken Sie Ihre Widerstandskraft für den nächsten "Schub", und wenn Sie Glück haben, können Sie diesen Schub ganz verhindern.

Hängebrücke über den Grand Canyon

Mit den richtigen Strukturen sicher über den Abgrund ...

Gute IdeeArbeiten Sie nach Möglichkeit nach Ihren eigenen Vorgaben.

Wenn es Ihnen schlecht geht, sind Sie nur bedingt arbeitsfähig. Das ist ganz normal. Deshalb wäre es natürlich ideal, wenn Sie nach eigenen inhaltlichen Vorgaben und mit eigener Zeiteinteilung arbeiten könnten. Da dies aber natürlich nicht immer möglich ist, versuchen Sie am besten so viel wie möglich zu erledigen, wenn es Ihnen gut geht, also 'vorzuarbeiten'. Setzen Sie sich dabei aber bitte nicht zu sehr unter Druck, denn Druck schadet Ihnen.

Gute Idee Überlegen Sie sich gut, inwieweit Sie Ihre Kollegen und Vorgesetzten über Ihre Depression informieren.

Ob und wann Sie mit Ihren Vorgesetzten über Ihre Situation sprechen sollten, kann man Ihnen nicht raten... denn das müssen Sie von Fall zu Fall selbst entscheiden. Überlegen Sie sich, wieviel Verständnis Kollegen und Vorgesetzte für Ihre Erkrankung aufbringen (würden), was Sie überhaupt leisten müssen, ob Sie Urlaub nehmen können, welchen "Stand" Sie derzeit in Ihrer Firma haben usw.

Wenn Sie bezweifeln, dass man Ihnen Verständnis entgegen bringen wird, und wenn Sie Ihre Arbeiten auch noch gut erledigen können, sagen Sie auf Arbeit vielleicht erst einmal lieber nichts, und sprechen Sie mit Ihrem Therapeuten darüber.

Es klingt vielleicht etwas abgedroschen, stimmt aber: Sehen Sie Ihre Depression doch einmal als Chance, mehr über sich (und andere) zu erfahren, und später, wenn es Ihnen wieder besser geht, wichtige Veränderungen vorzunehmen.

Gute Idee Ihre Depression hilft Ihnen, Fehler beim nächsten Mal zu vermeiden, und sich besser zu schützen.

Selten lernen Sie so viel über Ihren eigenen Charakter (und auch den Charakter der anderen) wie in Zeiten der Krise. Nutzen Sie diese 'Lehrzeit', sobald es Ihnen besser geht, einmal dazu, gründlich über Ihre Verhaltensmuster und über die Situation, in der Sie sich befinden (und befanden), nachzudenken.

Sicher werden Sie einiges finden, was Ihnen in der Vergangenheit nicht gut getan hat, und was mit an der Entstehung Ihrer Depression beteiligt war.

Versuchen Sie das, was Ihnen geschadet hat, zu vermeiden, abzubauen oder zumindest durch bestimmte Strategien besser zu verkraften.

Lernen Sie, sich vor Belastendem zu schützen, indem Sie ihm entweder aus dem Weg gehen oder es aktiv bewältigen. Für letzteres sollten Sie sich aber ganz klare Strategien zurechtlegen, die Sie dann auch konsequent verfolgen.

Manchmal ist ja eine Depression - wie zum Beispiel auch Fieber - ein "Hilferuf" des Körpers. Wenn Sie beispielsweise so viel gearbeitet haben, dass Sie am Rande eines Herzinfarkts stehen, lähmt Sie die Depression - wie auch das Fieber - so stark, dass Sie gar nicht mehr (voll) arbeiten können. Dann hat Ihr Körper Ihnen vermittelt: "Halt, keinen Schritt weiter, Du hast mich fast in den Ruin getrieben, jetzt übernehme ich das Ruder und kläre das allein."

Dann sind Sie gezwungen, sich zumindest körperlich zu erholen. Und das bewahrt Sie vielleicht vor Schlimmerem.

Gute Idee Eine Depression gibt Ihnen die Gelegenheit, unglaublich viel über andere und über Ihre Beziehung zu ihnen zu erfahren.

Vielleicht haben Sie in der Vergangenheit unbewusst mit dazu beigetragen, dass Freundschaften und Partnerschaften zerbrochen sind, indem Sie andere angegriffen haben, zu stark und zu oft Nähe gesucht oder verhindert haben, zu egozentrisch oder zu nachgiebig waren... Vielleicht haben Sie immer wieder mit Trennung gedroht, nur um zu testen, ob andere noch zu Ihnen halten; Grenzen zu oft ausgereizt oder überschritten; Ihre Probleme auf andere gewälzt; andere moralisch unter Druck gesetzt...

Oder vielleicht haben Sie sich auch immer die 'falschen' Leute gesucht (im Kapitel Veränderungen finden Sie mehr dazu), und stehen nun vor der Frage, ob Sie sich in Zukunft lieber eine andere "Art" Mensch suchen sollten, oder ob Sie es schaffen, mit den "alten Typen" schmerzfreier umzugehen...

Über all dies zwingt Sie Ihre Depression nachzudenken.

Und wenn Sie dann zu einem Ergebnis gekommen sind, werden Sie vielleicht ein besserer Freund und Partner sein; und Sie werden auch weniger angreifbar sein für Verletzungen und Trennungen, die im Leben schließlich unausweichlich sind.

Eines steht fest: Während einer Depression sollten Sie keine "drastischen" Entscheidungen treffen (endgültige Trennung von Freunden, Partnern, Familie, Kündigung, Wohnungsverkauf oder Auswanderung). Warten Sie lieber, bis es Ihnen wieder besser geht, und schauen Sie, wie Sie dann darüber denken.

Gute IdeeEine Depression gibt Ihnen aber auch die Möglichkeit, unglaublich viel über sich zu erfahren - und sich auf dieser Basis weiterzuentwickeln.

Viele Menschen leben nach einer überstandenen Depression viel bewusster. Sie wissen das Leben mehr zu schätzen, verschwenden nicht so viel Zeit wie andere Menschen und sind dankbar für alles, was sie nun wieder erleben, riechen, schmecken können, nachdem sie in den schlimmsten Zeiten fast gar nichts mehr erlebt, gerochen und geschmeckt haben. Sie wissen aber auch, dass sie zu intensiven Gefühlen in der Lage sind, vielleicht zu intensiveren als andere - und haben ihre Grenzen kennengelernt.

Sie sind also den Menschen, die noch niemals an ihre Grenzen gelangt sind, vielleicht sogar einige Schritte voraus. Und sie wissen mehr über sich - und über andere.

Richtig genutzt und "aufgearbeitet", kann eine überstandene depressive Episode also zum entscheidenden - und guten, vielleicht längst überfälligen - Wendepunkt im Leben werden.

Wer sich kennt, kann sich schützen. Wer sich kennt, kann sich erweitern, kann über sich hinauswachsen, kann Eigenschaften abschwächen und andere ausbauen. Wer sich kennt, kann Prioritäten setzen. Wer sich kennt, kann sich viel effizienter weiterentwickeln. So kann man es auch sehen.



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