Bei Depressionen regelmäßig, aber nicht zu lange schlafen
Gefangen im Netz der ewig kreisenden Gedanken Q
Depressionen gehen häufig mit belastenden Schlafstörungen einher. Schlafstörungen können aber nicht nur eine Begleiterscheinung von Depressionen sein, sondern sogar der Vorbote, der Auslöser oder die Ursache! Mindestens 80 % aller Menschen mit Depressionen leiden unter Insomnie (Schlaflosigkeit), das heißt, sie haben Schwierigkeiten einzuschlafen und wachen zwischendurch und am frühen Morgen auf. Frühmorgendliches Aufwachen ist übrigens ein deutlicher Hinweis auf eine Depression. Q
Einige Menschen fühlen sich in den Wintermonaten müde und niedergeschlagen, weil ihnen die positiven Effekte des Sonnenlichts fehlen. Hier erfahren Sie, wie Sie sich aus Ihrem Winterblues befreien können. Weitere 15 % aller Menschen mit Depressionen leiden an Hypersomnie (also einem krankhaft gesteigerten Schlafbedürfnis). Q
Schlafstörungen sind nicht nur Symptom, sondern auch Ursache!
Forscher haben herausgefunden, dass Schlafstörungen nicht nur eine Begleiterscheinung von Depressionen sind, sondern Depressionen sogar hervorrufen können! Mit anderen Worten: Schlafstörungen sind der Vorbote von Depressionen, so Dr. Michael Perli von der Abteilung Psychiatrie und Psychologie der Universität Rochester. In seinen Langzeitstudien konnte er nachweisen, dass Schlafstörungen circa 5 Wochen vor der ersten depressiven Episode zum ersten Mal auftreten. Bis zum Ausbruch der Depression und während der Depression vertiefen sie sich dann.
Dr. Perlis Erkenntnisse lassen interessante Rückschlüsse zu: Wenn Schlaflosigkeit rechtzeitig behandelt wird, können erste depressive Episoden bzw. Rückfälle oder zumindest ein chronischer Verlauf von Depressionen unter Umständen verhindert werden. Deshalb sollte jede Schlafstörung, die länger anhält und/ oder schlimmer wird, als erster Hinweis auf eine neue depressive Episode ernst genommen und behandelt werden! Q
REM-Schlafstörungen führen zu einer negativen Gedächtnisbildung.
Bei depressiven Menschen kommt es häufig zu einer "Enthemmung" des REM-Schlafes, also der Phase, in der die meisten Träume liegen. Das heißt mit anderen Worten: Bei ihnen tritt der REM-Schlaf zu früh auf, die erste REM-Phase ist verlängert, und in allen REM-Phasen sind verstärkte Augenbewegungen zu beobachten. Außerdem nimmt der Tiefschlafanteil ab. Q Dieses veränderte REM-Schlafmuster wirkt an sich schon depressionsfördernd.
Der REM-Schlaf ist für das emotionale Gedächtnis von entscheidender Bedeutung. Bei verfrühtem und intensiviertem REM-Schlaf werden die Erinnerungen des Tages nicht normal "abgelegt", sondern der Mensch erinnert sich vor allem an negative Ereignisse und speist sie ins Gedächtnis ein. So sammeln sich mit der Zeit immer mehr negative Erinnerungen an, statt ganz normal abgebaut zu werden.
Wenn die Depression dann abklingt, bleibt der REM-Schlaf gestört, und die negative Tendenz (die Forscher sagen "negative bias" dazu) bleibt bestehen. Auch bei Verwandten ersten Grades von Menschen mit Depressionen finden sich oftmals gestörte REM-Muster. Die "Anfälligkeit" für Depressionen kann also sehr gut am REM-Schlaf-Profil abgelesen werden. Etwas wissenschaftlicher ausgedrückt heißt das: Der verringerte Anteil an "langen" Deltawellen (durch das verfrühte Einsetzen des REM-Schlafes) korreliert neben der Intensität und Dauer des REM-Schlafes am stärksten mit der Schwere der Depression. Q
Schlafstadien kurz und verständlich erklärt...
Behandlungsmöglichkeiten
Forscher schließen nicht aus, dass Insomnie ein Versuch des Körpers ist, der Depression entgegenzuwirken - denn verkürzter Schlaf wirkt sich (wenn er in den Abend- und nicht in den Morgenstunden stattfindet) positiv auf den Serotonin- und eventuell auch auf den Dopaminspiegel aus. Beide Neurotransmitter sind ja bei vielen Menschen mit Depressionen gestört. Außerdem wird bei verkürztem Schlaf unser Stresssystem "heruntergefahren" - und das macht sich die Wissenschaft seit einiger Zeit zu Nutze. Q
Tritt der REM-Schlaf verfrüht auf, überwiegt das cholinerge System, das vor allem in den frühen Morgenstunden aktiviert ist. Dadurch wird weniger Noradrenalin freigesetzt, was wiederum depressionsfördernd wirkt. Verringert man nun den REM-Schlaf mit einem partiellen Schlafentzug, indem man die Betroffenen nach der ersten Nachthälfte aufweckt, vermindern sich auch die Symptome der Depression, und die Stimmung wird besser. Ziel ist es also, nicht in den Morgenstunden, sondern abends zu schlafen, weil dann das aminergene System (Noradrenalin, Serotonin) überwiegt. Q
Schlafentzug ist in der Depressionstherapie schon seit längerem bekannt. In 30 bis 60 Prozent der Fälle bessert sich die Stimmung, wenn man Menschen mit Depressionen morgens eher aufweckt. Leider hält diese positive Wirkung nicht sehr lange an. Nach dem nächsten "normalen" Schlaf wachen die Betroffenen wieder niedergeschlagen auf. Die Serotonin-stimulierende Wirkung des Schlafentzugs ist also nicht ausreichend, um der Depression entgegenzuwirken, und die negativen Effekte der Insomnie überwiegen letztendlich.
Die negativen Auswirkungen von Insomnie
Wenn die Betroffenen merken, dass sie (wieder einmal) in Schlafstörungen "hineinrutschen", versuchen sie, diesen Prozess mit allen Mitteln aufzuhalten. Sie wollen den Schlafentzug kompensieren, indem sie bereits tagsüber ein Nickerchen machen, eher ins Bett gehen oder morgens länger im Bett bleiben. Einige trinken Alkohol, um besser einschlafen zu können. All diese kurzfristigen Maßnahmen verändern aber langfristig das Schlafprofil und verschlimmern damit die Insomnie. Die Insomnie wird dann zur Folge eines Fehlverhaltens. Damit beißt sich die Katze in den Schwanz: Die Schlafstörungen werden schlimmer, das führt zu Verhaltensanpassungen, die wiederum die Schlafstörungen noch mehr vertiefen ...
Die Insomnie wird von folgenden Zuständen begleitet:
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Nervosität und Reizbarkeit
- Verlust des Interesses am sozialen Umfeld und an gewohnten
Aktivitäten
- Freudlosigkeit
- Hilflosigkeit, geringe Frustrationstoleranz, Angst vor
Kontrollverlust
- Nachlassende Libido, Gewichtsverlust
- Negative Tendenz der Gedächtniskonsolidierung
- Depression
- Neurobiologische Veränderungen - Erhöhte Depressionsanfälligkeit
- Halluzinationen
- Erhöhte Suizidgefahr!
Wie kann dieser Prozess durchbrochen werden?
Zunächst einmal muss das kontraproduktive Verhalten eingestellt werden, das die Schlafstörungen bekämpfen soll, sie aber in Wirklichkeit verstärkt.
Nach Ansicht Perlis kann eine Verhaltenstherapie, die direkt auf die Beseitigung von Schlafstörungen fokussiert ist, dazu beitragen, Depressionen abzubauen oder gar nicht (wieder) entstehen zu lassen.
Sie ist somit eine sinnvolle und notwendige Ergänzung zur klassischen Therapie des Schlafentzugs. Q
Darüber hinaus sollte bei der Wahl von Antidepressiva darauf geachtet werden, dass sie eine günstige Wirkung auf das Schlafprofil haben - denn viele SSRIs verstärken die Schlafstörungen zum Beispiel noch, weil sie den REM-Schlaf unterdrücken. Bei Nefazodon (einem dualserotonergen Antidepressivum) ist dies übrigens nicht der Fall; es wirkt stimmungsaufhellend und verbessert dennoch die Schlafqualität und den REM-Schlaf-Anteil. Q Auch Trazodon hat sich in dieser Hinsicht bewährt.
Tipps gegen die Schlaflosigkeit:
Schlafen Sie regelmäßig.
Gehen Sie abends immer zur gleichen Zeit ins Bett, und stehen Sie möglichst früh wieder auf.
Stehen Sie nach dem Aufwachen SOFORT auf.
Wenn Sie liegenbleiben, fangen Sie nur wieder an zu grübeln und verlieren Ihre schöne Energie. Alle Tätigkeiten nach dem Aufstehen lenken Sie ab, und Ablenkung ist das Beste gegen Trübsinn.
Auch mit verquollenen Augen - raus aus dem Nest! Q
Nehmen Sie möglichst keine Schlafmittel...
... denn sie werden Ihr Schlafprofil - und damit Ihr Wohlbefinden - langfristig ungünstig beeinflussen. Fragen Sie stattdessen Ihren Arzt oder Therapeuten, ob er es für ratsam hält, Ihnen schlafanstoßende Antidepressiva zu verschreiben (wie beispielsweise Nefazodon oder Trazodon).
Trinken Sie eine halbe Stunde vor dem Einschlafen heiSSEn Tee.
Lavendeltee wirkt besonders beruhigend. Bitte mindestens 5 Minuten ziehen lassen und dann in kleinen Schlückchen austrinken!
Lenken Sie sich ab.
Wenn Sie merken, dass Sie im Bett zu grübeln anfangen und nicht wieder aufhören können, tun Sie am besten sofort etwas anderes. Lesen Sie ein Buch, sehen Sie fern, putzen Sie die Wohnung, legen Sie ein Puzzle oder eine Patience... und tun Sie alles, was Sie ablenkt und auf andere Gedanken bringt. Es ist auf jeden Fall besser, bis morgens um sechs fern zu sehen, als bis morgens um sechs negative Gedanken zu haben.
Übrigens werden Sie vielleicht sogar vor dem Fernseher einschlafen, weil Sie ja nicht mehr durch Ihre Gedanken gequält werden. Um sich nicht einer unnötigen Reizüberflutung auszusetzen, sollten Sie aber die automatische Abschalt-Funktion (Schlafschaltung) Ihres Fernsehers nutzen. Wenn Sie merken, dass Sie in der Regel nach einer halben Stunde Fernsehen einschlafen, programmieren Sie Ihren Fernseher einfach so, dass er sich nach 45 Minuten abschaltet. Dadurch werden Sie nicht die ganze Nacht von Bildern überflutet.
PS: Lesen ist natürlich noch viel besser als Fernsehen.
Verbieten Sie sich konsequent bestimmte Gedanken.
Dabei hilft oft eine gesunde Portion Selbstironie: "Ach, suhlen wir uns jetzt wieder drei Stunden in Selbstmitleid?" oder "Nicht schon wieder diese fiese Nebelkrähe von Gedanke."
Halten Sie sich an Ihre Hoffnungen.
Es können auch Illusionen sein - nach dem Motto "whatever works..." oder "was hilft, ist gut". Glauben Sie einfach daran, dass alles besser wird, und sammeln Sie während des Tages jeden noch so kleinen Hinweis darauf. An diesen "Hoffnungsschimmer" denken Sie dann immer, wenn die quälenden Gedanken kommen. Beißen Sie sich richtig an Ihrer Hoffnung fest, und verlachen Sie alles, was sich dazwischenschieben will. Es will Ihren Schlaf und Ihre Gesundheit sabotieren, und das lassen Sie nicht zu.
Jede gute Vorstellung, jede positive Erinnerung...
... hilft Ihnen einzuschlafen und besser zu träumen.
Machen Sie sich schöne, konkrete Pläne für den nächsten Tag.
Sorgen Sie dafür, dass mindestens eine Beschäftigung oder ein Ereignis dabei ist, das Ihnen so richtig Spaß macht, und wenn es die Pralinenpackung am Abend (lieber nicht die ganze!) oder eine Fernsehsendung ist. Sie sollten sich jeden kommenden Tag so organisieren, dass Sie sich auf etwas (oder jemanden) freuen können. Das ist ganz wichtig.
Yoga hat schon vielen geholfen.
Lernen Sie bei einem anerkannten Spezialisten autogenes Training oder andere Meditationstechniken.
Dabei brauchen Sie meist etwas Geduld, denn diese Techniken wirken nicht sofort. Erwarten Sie nicht, schon nach einer Sitzung wieder gut schlafen zu können; aber langfristig helfen solche Techniken in der Regel schon.
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