Ätiologie: Ursachen und Auslöser von Depressionen
Depressions-Ursachen: Vererbung, Serotonin & Co., Stress, Traumata, Veränderungen des Gehirns
Mit Sicherheit gibt es Faktoren, die bestimmte Menschen anfälliger für eine Depression machen als andere. Wie diese Faktoren aber zusammenspielen müssen, damit es letztendlich zu einer depressiven Erkrankung kommt, ist bis heute noch nicht zu 100 Prozent geklärt.
Nur eines ist sicher: Die Lebensgeschichte (z. B. eine problembehaftete frühkindliche Beziehung zu den Eltern, erlittene Traumata usw.) und die Lebensumstände (Stress, zu wenig Schlaf, falsche Ernährung sowie Alkoholsucht und Drogenmissbrauch) haben ebenso wie die Biologie (Gene, "Anfälligkeit", neuroanatomische Veränderungen (der Gehirnstruktur) und neurobiologische Veränderungen (des Serotonin-, Noradrenalinspiegels etc.) und eine geschwächte Immunabwehr einen Anteil an der Entstehung von Depressionen. Aber was ist Auslöser, was ist Ursache, und was ist Begleiterscheinung? Was bedingt was? Im Folgenden möchten wir Ihnen einige Erklärungsansätze der Depression vorstellen.
Depressions-Modelle
Vor nicht allzulanger Zeit unterschied man noch zwischen endogenen (also aus "körperinneren" Ursachen entstehenden) und reaktiven (durch "äußere" Ereignisse provozierten) Depressionen. Diese Unterscheidung ist jedoch inzwischen veraltet, da bei Depressionen viele Faktoren zusammenspielen und sich nicht eindeutig voneinander trennen lassen.
Endogene Depressionen waren quasi "genetisch" bedingt und bedurften keines Auslösers.
Reaktive Depressionen entstanden aus bestimmten Situationen heraus, hatten also einen Auslöser.
Heute werden beide Formen nicht mehr klar voneinander abgegrenzt, weil man sich inzwischen ziemlich sicher ist, dass sowohl die Biologie als auch die Lebensumstände zur Entstehung einer Depression beitragen. Außerdem haben beispielsweise "äußere" Einflüsse (wie etwa traumatische Erlebnisse) direkte Auswirkungen auf das "Innen", indem sie unter anderem die Gehirnanatomie und das Stresssystem des Körpers verändern. Das ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen. Genauere Informationen zu neurowissenschaftlichen Zusammenhängen der Depression erhalten Sie in unseren Kapiteln Traumata, Neurotransmitter und Neuroanatomie.
Hinsichtlich der Ätiologie (also der Ursachen) von Depressionen unterscheidet man also heute ganz grob folgende zwei Modelle:
Das biopsychosoziale Modell (Depression = Biologie + Psyche + Umwelt)
Dieses Modell geht davon aus, dass Depressionen von einem Zusammenspiel biologischer, psychischer und sozialer Faktoren hervorgerufen werden. Dabei kann die individuelle "Gewichtung" dieser Faktoren ganz unterschiedlich ausfallen.
Anmerkung: Neurowissenschaftler könnten nun natürlich einwenden, dass die Psyche Biologie ist, dass das Soziale die Biologie verändert - und damit die Psyche -, und dass sich die drei Faktoren also gar nicht so recht voneinander trennen lassen. Zum Beispiel haben Traumata ("Soziales") einen Einfluss auf die Hirnentwicklung ("Biologie") und damit auf die Psyche. Da wir aber hier nicht spitzfindig sein wollen, sei uns nur gestattet, Psyche und Soziales aus eben jenen Gründen zu "Psychosozialen Faktoren" zusammenzufassen.
Das Diathese-Stress-Modell (auch Vulnerabilitäts-Stress-Modell)
Dieses Modell beruht auf der Annahme, dass depressionsgefährdete Menschen besonders empfindsam und sensibel (oder auch "dünnhäutig") sind, und dass diese Prädisposition unter ungünstigen Bedingungen in Verbindung mit stressvollen lebensgeschichtlichen, situativ-sozialen und/ oder körperlich-hormonellen Belastungen zum Ausbruch einer Depression führen kann.
Diese Empfindsamkeit, "Anfälligkeit" oder "Vulnerabilität" kann entweder genetisch oder kognitiv/ sozial bedingt sein (z.B. durch eine ungünstige Erziehung).
Beide Modelle ergänzen sich.
Das biopsychosoziale und das Diathese-Stress-Modell lassen sich eigentlich ganz gut miteinander in Einklang bringen, denn man könnte vereinfachend sagen:
Biologie (genetische Stressanfälligkeit), Psyche ("gestresstes Hirn") und Umwelt (Einwirkung von Stressfaktoren) haben eine erhöhte Vulnerabilität zur Folge, die wiederum unter (weiteren!) ungünstigen Bedingungen zur Entstehung einer Depression führt.
Eine Kombination des biopsychosozialen Modells der Depressionsentstehung und des Diathese-Stress-Modells könnte demnach so aussehen:
df B + df P + df U -> Vulnerabilität + df B + df P + df U -> Depression.
Dabei bedeutet df = depressionsfördernd, B = Biologie, P = Psyche und U = Umwelt.
Wie Sie sehen, zäumen beide Modelle das Pferd also eigentlich nur von verschiedenen Seiten auf, wobei sich das biopsychosoziale Modell - vereinfachend gesagt - mehr für die Zeit "vor" der Vulnerabilität und das Diathese-Stress-Modell mehr für die Zeit "danach" interessiert.
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