Wie kann ich Freunden und Verwandten begreiflich machen, wie es mir geht?
Depressionen sind eine große Belastungsprobe für jede Freundschaft.
Der Umgang mit Freunden ist oft nicht einfach, wenn man eine Depression hat. Wer nämlich noch nie eine 'echte' Depression hatte, kann schwer nachvollziehen, wie man sich fühlt, oder warum man sich manchmal so 'launisch' und 'irrational' benimmt.
Jeder, der schon einmal ernsthaft depressiv war, wird wissen, wie leicht man in dieser Situation Freunde verlieren kann. Dabei kann man noch nicht einmal sagen, dass die Freunde, die irgendwann ihrer Wege gehen, gar keine richtigen Freunde waren.
Denn nicht jeder ist in der Lage, mit dem Leid anderer - und vor allem mit der eigenen Hilflosigkeit - umzugehen. Deshalb geben viele eine Zeitlang gute Ratschläge ab und wenden sich dann irritiert und hilflos ab, wenn sie nichts fruchten.
Versetzen Sie sich aber auch einmal in die anderen. Sie werden sehen: Es ist schlimm und irritierend, helfen zu wollen, aber beim besten Willen nicht helfen zu können.
Viele Menschen wenden sich gar nicht so sehr ab, weil sie 'genervt' sind, sondern weil es ihnen so schwer zusetzt, nicht helfen zu können oder noch nicht einmal so recht zu verstehen, was da eigentlich gerade "abläuft"! Und viele erliegen auch dem weit verbreiteten Irrglauben, Depressive müssten nur mal schnell eine Therapie machen, und dann ginge es ihnen bald wieder besser.
Das Zusammenleben wird schwierig: Manchmal ertragen depressive Menschen die Gegenwart anderer nicht und ziehen sich zurück, und dann wieder suchen Sie so intensiv ihre Nähe, dass Freunde und Verwandte sich überlastet und überbeansprucht fühlen.
Viele Freunde wissen oder glauben nicht, dass Menschen während einer Depression manchmal gar nicht in der Lage sind, Verabredungen wahrzunehmen oder auch nur zu telefonieren, und dass sie dann aber in Krisensituationen wieder unbedingt jemanden brauchen, um nicht verrückt zu werden, und sei es morgens um drei! Und abwechselnd weggestoßen und stark in Anspruch genommen zu werden, muss ja auf Dauer irritieren.
Versuchen Sie sich auf diese Irritation einzustellen und sie als "normal" zu betrachten. Und versuchen Sie Ihre Freunde nicht zu ändern, denn das ist nicht nur sehr schwer, sondern oftmals auch gar nicht "in Ordnung", denn: Würden Sie sich von jemandem ändern lassen wollen?
Nehmen Sie deshalb Ihre Freunde so, wie sie sind, und erwarten Sie keine Hilfe von Menschen, die das gar nicht leisten können (oder wollen).
Sie haben es sicher selbst schon gemerkt: Gerade sehr rationale Menschen sind oftmals keine große Hilfe, denn sie glauben an konkrete und schnelle Lösungen und raten Ihnen eher, sich 'zusammenzureißen', als dass sie Sie einfach mal nur in den Arm nehmen, still für Sie da sein und von Ihren Problemen ablenken würden.
Wenn Sie merken, dass einige Freunde Sie nicht gut unterstützen können oder wollen, kündigen Sie ihnen aber bitte nicht gleich die Freundschaft - denn auch Menschen, die Sie nicht so recht verstehen, können gute Freunde sein und Ihnen auf anderen Ebenen sehr viel schenken.
Versuchen Sie abzuschätzen, inwieweit Ihr Freund* mit Ihren Krisen und Problemen umgehen kann.
(Der Einfachheit halber verwenden wir im Anschluss durchgängig die Bezeichnung "Freund" für alle nahestehenden Menschen, sei es nun die Freundin, die Mutter, der Kollege, der Onkel oder die Bäckersfrau.) Wenn Sie merken, dass Ihr Freund Ihnen vor allem durch Ratschläge zu helfen versucht, die Ihnen nicht wirklich weiterhelfen und gut tun, und dann irritiert ist, weil er Ihnen eben nicht helfen konnte, versuchen Sie in Ihrem eigenen Interesse, Gespräche über Ihre Probleme mit ihm auf ein Minimum zu beschränken.
Rufen Sie ihn zum Beispiel nach Möglichkeit nicht weinend an, und zwingen Sie ihn nicht zu "Krisengesprächen".
Wenn Sie diese Ratschläge nicht beachten, laufen Sie Gefahr, dass sich Ihr Freund über kurz oder lang von Ihnen abwendet. Dabei brauchen Sie gerade jetzt unbedingt Freunde (Therapeuten nennen das ein 'stabiles soziales Netzwerk')!
Verabreden Sie sich lieber, wenn es Ihnen gut geht, und sprechen Sie über andere Dinge.
Unternehmen Sie gemeinsam 'neutrale' Dinge, über die Sie dann auch reden können - will heißen: Gehen Sie ins Kino oder ins Theater, schwimmen Sie zusammen, machen Sie Ausflüge, fahren Sie Rad usw.
Und wenn ich Verabredungen absagen muss, weil es mir nicht gut geht?
Lassen Sie Ihren Freund wissen, dass es vorkommen kann, dass Sie eine Verabredung treffen, die Sie später aber nicht einhalten können, weil es Ihnen gerade nicht so gut geht. Geben Sie ihm dabei zu verstehen, dass Sie ihn trotzdem sehr schätzen und großen Wert auf ihre gemeinsamen Treffen legen, und dass er solche (evtl. spontanen) Absagen bitte nicht persönlich nehmen soll. Wenn Sie die Gründe für Ihr Verhalten schon im Vorfeld erklären, ist Ihr Freund vorbereitet und kann dann mit spontanen Absagen sicher besser umgehen.
Fragen Sie ihn aber trotzdem, ob es ihn verärgert, wenn Sie kurz vorher absagen. Wenn dem so ist, schlagen Sie vor, dass Sie sich melden, wenn es Ihnen gut geht, damit Sie dann gemeinsam etwas unternehmen können. So haben Sie Ihren Freund aktiv in die Lösung des Problems mit einbezogen und die Karten von vornherein auf den Tisch gelegt.
Überlegen Sie sich gut, wem Sie von Ihrer Depression erzählen.
Es kann manchmal ein Fehler sein, andere einzuweihen, und sogar unangenehme Konsequenzen für Sie haben (Klatsch und Tratsch, Vorurteile...) Eine probate Lösung besteht darin, sich bei Treffen, die Sie nicht einhalten können, mit einem Schuss Selbstironie aus der Affäre zu ziehen, ohne den genauen Grund für die Absage zu nennen: "Stehe grade kurz vorm Nervenzusammenbruch, können wir das Treffen bitte verschieben?!"
Einige Menschen besitzen die seltene Gabe, Ihnen zuzuhören, keine Ratschläge zu geben, von denen sie wissen, dass Sie sie ohnehin nicht befolgen wollen bzw. können, und Ihnen durch Verständnis und Humor so viel Unterstützung zu geben, wie Sie in diesem Moment jeweils brauchen, um 'weiterzukommen'.
Solche Menschen schaffen es oft sogar, mit Ihnen gemeinsam von außen ironisch auf das Problem zu blicken, so dass Sie im besten Fall über die vielen Absurditäten des Lebens lachen können. Das sind Menschen, die die Dinge grundsätzlich etwas leichter angehen, und die Ihnen helfen können, das ebenfalls zu tun. Diesen Menschen gegenüber können Sie sich eher öffnen: Sie werden mehr Hilfe erfahren, und Sie laufen weniger Gefahr, sie zu vergraulen.
Solche Menschen sind ein Geschenk, und Sie sollten sich sehr darum bemühen, sie in Ihrem Freundeskreis zu 'halten'. Aber auch diese Menschen wollen natürlich nicht überbeansprucht werden. Lassen Sie sich auf ihre Leichtigkeit ein, und lachen Sie mit ihnen über sich und die Welt!
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